Dieser Bericht einer Mutter ist einer von vielen und insofern typisch
(wir haben den Jungen in Kevin
‘umgetauft’– einer der häufigeren Vornamen).Ihr Brief zeigt auch
und vor allem, daß es in der Regel
die motivierten und energischen Mütter sind, die sich bis zur
Manualmedizin durchkämpfen, wenn sie
nicht – oft per Zufall – an einen Kollegen geraten, der an funktionelle
Problem als Lösungsansatz
denkt.
Auch einiges andere ist typisch:
– Die Häufung derartiger Schwierigkeiten bei gleichgeschlechtlichen
Kindern derselben Familie
– Die Zusammenarbeit mit anderen Behandlungsformen, hier der Ergotherapie
– Die Erstverschlechterung nach Behandlung, die bis zu einer Woche
betragen kann
– Asymmetriezeichen als Vorläufer der späteren Verhaltensauffälligkeiten
– Die Angst vieler Eltern vor der Manualtherapie
„Mein Sohn Kevin wurde in der 36 Schangerschaftswoche geboren und wog
2700g. Ich verließ
schon am nächsten Tag das Krankenhaus. Meine Kinderärztin
war sehr zufrieden mit Kevin;
auffällig waren nur seine Sichelfüße. Kevin war ein
sehr freundliches, aktives Baby. Schlaf
schien er kaum zu brauchen. Auch sprach man mich ständig darauf
an was er für ein Kraftpaket
sei.
Mit sechs Monaten schlief er höchstens 2 Stunden an einem Stück.
Er war sehr lebhaft und
anstrengend. Ich konnte Ihn zeitweise kaum bändigen, und aus diesem
Grunde machte ich einen
folgenschweren Fehler, indem ich mit Kevin zu meinen Hausarzt wechselte.
Dort konnte ich der
Tortur des langen Wartens aus dem Wege gehen.
Mit neun Monaten war mir klar, daß wir fachliche Hilfe brauchten.
Obwohl mir jeder, dem ich
von Kevins Schwierigkeiten erzählte, die gleiche Antwort gab –
„Er ist eben ein richtiger
Junge" – machte ich wieder einen Termin bei einem Kinderarzt. Keiner
von den drei Ärzten
nahm ernst, was ich vorbrachte. Es schien, als liefe ich mit dem Kopf
gegen eine Wand.
Um meinem Kind helfen zu können blieb mir nichts anderes mehr
über, als ihn wieder bei
meiner Kinderärztin vorzustellen. Nachdem ich ihr erklärt
hatte, warum ich solange nicht mehr
gekommen sei und ich auch nicht sicher sei, was Ihm fehle, gab sie
mir zur Antwort, daß es sich
bei Kevin um Wahrnehmungsstörungen handelt. Sie empfahl mir dringend,
mit einer
Ergotherapie zu beginnen. Ich bekam dann auch nach einiger zeit einen
Platz. Dort lernte ich
sehr schnell, wie ich mich in bestimmten Situationen zu verhalten hatte.
Es gab dann auch
Momente, die erträglich waren, aber alles in allem war es sehr
schwierig ihn zu erreichen. Ich
war sehr froh über Therapie, doch ich wußte ganz tief in
mir drin, daß das für Kevins
Entwicklung nicht ausreichen würde.
Als Kevin zwei Jahre alt war wurde mein Sohn Tom geboren; mit ihm ging
ich natürlich auch
sofort zur Kinderärztin. Sie versicherte mir sofort, das einzige
Auffällige seien seine Sichelfüße.
Bei mir gingen alle Alarmglocken an. Sie jedoch beruhigte mich, daß
er nicht so wäre.
Da mir bei Kevin immer mehr seine X- Beine auffielen, ließ ich
mir eine Überweisung zum
Orthopäden geben. Das hätte ich auch sein lassen können.
Er sah einmal zu, wie Kevin vor und
zurück lief und sagte: „Der muß Spezialschuhe tragen“ –
Das war‘s.
Als Kevin 27 Monate war, erklärte mir die Kinderärztin, daß
Tom sehr auffallend nach rechts
guckt, was mir derzeit auch zu denken gab. In diesem Zusammenhang erfuhr
ich das erste Mal,
was ein KISS- Syndrom ist und wie und wer das behandelt. Ich besorgte
mir auf dem
schnellsten Wege Unterlagen darüber.
Der Behandlung stand ich sehr negativ gegenüber, weil ich aus
eigener Erfahrung wußte, daß
Renken nicht gleich Renken bedeutet. Darauf hin führte ich ein
langes Gespräch mit meiner
Kinderärztin; sie überzeugte mich erst einmal einen Termin
beim Spezialisten zu machen.
Darauf ließ ich mich ein und bekam einen Termin für Tom.
Ich war mir aber nicht sicher, ob ich
das zu lassen würde. So versuchte ich, mich mit möglichst
vielen Informationen zu versorgen.
In der Zeit des Wartens verschlechterte sich Kevins Verhalten sehr,
sodaß er schon ins
hyperaktive Verhalten reinrutschte. Als dann auch noch die Rede von
Ritalin war, ging ich in
die Offensive. Wir hatten nichts zu verlieren. Kevin schlief kaum noch,
er rastete in jeder
fremden Umgebung aus und wollte nur noch nach Hause, er konnte seine
Kraft überhaupt nicht
mehr dosieren und wurde deshalb schon von anderen Müttern als
gewalttätig abgestempelt. So
ging ich schweren Herzens noch einmal mit Kevin zur Kinderärztin
und stellte ihr die direkte
Frage, ob es sein könnte, daß Kevin etwas an der HWS hätte.
Am Ende unseres Gespräches
waren wir uns einig, daß wir das beim Spezialisten abklären
wollten.
So entschied ich, den Termin, den ich für Tom hatte, mit Kevin
wahrzunehmen. Ich wußte
nicht, was genau mich dort erwartet. Als ich jedoch die Röntgenaufnahmen
sah stockte mir der
Atem. Ich konnte mir nicht vorstellen warum das nicht sichtbar war.
Ich machte mir auch keine
Gedanken mehr, ob ich dieses für mich extreme Renken zulassen
würde, denn so könnte es
nicht bleiben. Der Arzt behandelte Kevin an verschiedenen Stellen,
und wir vereinbarten einen
Kontrolltermin in 6 Wochen.
Dann ging es los. Die nächsten 4 Tage und Nächte schlief
Kevin so gut wie gar nicht mehr, war
mehr als aggressiv und konnte sich auf nichts konzentrieren. Am fünften
Tag war er wie
ausgewechselt. Als erstes viel mir morgens auf, daß er zum erstenmal
einen Stift richtig hält, er
stolperte mehr alle paar Meter, er lief durch unsere Wohnung, sah mich
an und fragte: „Hast du
ein neues Bild aufgehängt?“ – Ich verstand erst gar nicht, daß
die Bilder schon immer da waren
nur er konnte sie nicht wahrnehmen.
Dann kam jeden Tag etwas dabei. Er ging überall mit hin, rastete
kaum noch aus und kletterte
oft auf meinen Schoß, was er nie tat, weil still sitzen für
ihn eine Qual war. Alles in allem war
sogar das Hyperaktive Verhalten völlig weg.
Also fuhr ich nach sieben Wochen mit gutem Gefühl zur Kontrolle:
es war alles o.k.
Für mich bleibt es ein Wunder und eines weiß ich:
ich bin froh, daß ich nie aufgegeben habe
nach einer Behandlung zu suchen. Den Rest an Wahrnehmungsstörung
werde ich weiter mit
Ergotherapie behandeln. Aber das erste Mal seid fast drei Jahren
bin ich nicht mehr auf der
Suche nach Hilfe für mein Kind.
Ich hoffe für alle anderen Kinder, daß diese Behandlungsart
bekannter wird und das sich
mehrere Kinderärzte der Sache annehmen. Denn bei Kevins unbehandelter
HWS hätte auch die
beste Ergo kaum Erfolg haben können. Nun glaube ich jedoch, daß
wir eine Heilung bis zur
Einschulung schaffen können.“